Publikationen

 

Bou Noura

Algerisches Tagebuch 1978

Düsseldorf 2012

Textauszug:

Constantine

Während der Busfahrt verspüre ich ein Unbehagen darüber, mich von der Küste zu entfernen, dem vertrauten Meer; dann aber ist die Einfahrt nach Constantine so überwältigend, sind les Gorges du Rhumel so bedrohlich, daß ich es vergesse; über die Sidi-M'Cid-Brücke (175 Meter über dem Oued Rhumel) gehe ich zum Hochplateau des Stadtkerns, schon von weitem macht die Stadt einen morschen und verrotteten Eindruck, schwärende Ruinen, ein umgestülpter, verfaulter Bauch; auf der Brücke fange ich eine Stabheuschrecke; ich würde sie gerne mitnehmen, ich stelle mir vor, ich hätte die Stabheuschrecke in einer schlanken Vase auf meinem Tisch im Hotel und könnte beobachten, wie sie strampelt und wie ihre Augen rotieren, aber ich habe kein Gefäß, weiß nicht wohin mit ihr, kann sie nicht in meine Leinentasche stecken, der 15 Zentimeter lange Stäbchenleib würde einknicken und zerbrechen, so hocke ich in der Mitte der schwankenden Sidi M'Cid-Brücke, tief unter mir die Schluchten des Rhumel und betrachte eine Stabheuschrecke; dann betrete ich die dunkle Stadt und finde schnell ein Hotel, düster und billig.

 

 

 Azulejo

Lissabon 2012

Textauszug:

Gare Fluvial, Merenda  Pingo Doce

 

Hier ist ein Punkt. Im sanften Tropfen. Karfreitag. Kleine Punkte. Größere. Die Punkte bilden erkennbare Schemen. Die Punkte und die Schemen.

Zwischen den Beinen der Gäste picken Tauben, Spatzen, und verbeugen sich. Der Geistersaal.  Die Geister umtanzen eine einzige Person. Diese Person trägt zwei Dinge: eine Stehlampe und ein Konfirmationskleid. Früher Abend. Die Verbeugungen der Vögel sind tief, sie stürzen mit ihren prallen Brüsten auf den Steinboden, einige bleiben liegen und sind tot, andere flattern hilflos und klatschen wie Fische in einem Kübel. Eine Familie, Tochter, Vater, Sohn, Mutter. Sie schlürfen aus biegsamen Papptellern. Die Szenerie ist von übergroßen Bovisten, knollenförmigen Staubpilzen, zugestellt. Die Boviste schweben über die Trennfolie zum Geistersaal wie demolierte Planeten. Die Geister sind pikiert und wehen im Hintergrund. Der Vater ist als erster fertig und deckt mit seinem lappigen Pappteller eine tote Taube zu. Sohn und Tochter schlürfen noch. Die Mutter schaut hinüber in den Geistersaal. Auf pulsierenden, durchsichtigen Muskeln gleiten die Geister durch den Saal, während sich die Boviste  polternd an der Folie entlanghangeln.  Elegant verankern sich die Geister  an ihren Säulen. Jeder Geist hat eine eigene Säule.

Pessoa [ pessoa  Person] liegt und klöppelt seine Stangen. Hat ein Loch  im Fell. Der Wüstenhorizont ist weit. Auf der Wüstenoberfläche sind die anderen gruppiert. Die Gegenwart ist ausgeschlossen.

 

 

 

 

Schmidt   

Kulturforum Alte Post, Neuss  1990

Textauszug:

Könke und Knippzang haben jeglichen Charne verloren. Sie fahren durch ein Hochland. Könke in praktischer Kofferfrisur, Knippzang mit Axt und fliegendem Schemel. Aus den Rädern des Wagens sprühen Würfel hervor, dreifarbige Würfel, die in einer Nebenszene unter einen Tisch springen, auf dem Knippzangs Schere heftig klappert. Die Fahrt endet in einem Lichtsee. Sie stürzen hinein, tauchen unter. Hier zeigt sich deutlich die Handlampe. Schwierige Zusammenfassung aller verwendeten Formen.

 

 

 

Personal eins   

Museum am Ostwall, Dortmund  1991 

Textauszug:

Der Geköpfte. Er hängt kopfüber im Schnellzug. Er steigt nie aus.

 

 

 

Radkappen   

Galerie Jürgen Friedrich, Dortmund, gefördert mit den Mitteln des Kunstfonds e.V., Bonn  1992

 

Textauszug:

Haien reißen sich im Haienrasen mit ihren Würgeschlaufen ... strangulieren sie sich ... sie sind verknotet und strangulieren sich gegenseitig ... erst grinsen sie ... dann würgen sie sich gegenseitig ... strangulieren sich im Haiengrinsen und stoßen ihre gellenden Haienschreie aus ... die Haienmeute fällt über die Hafenanlagen her ... aber Haien halten auch im gellendsten Haienschreien ihre Bildschirme so hoch wie möglich ...

 

 

 

Katalog Forum Bilker Straße   

Düsseldorf  1993

Textauszug:

Huhn, Hase, Koffer, die Welt der Hufschmiede

 

 

 

Brülleisch!   

Düsseldorf  1993

Textauszug:

Wo hängt die Försterin? Wie hängt die Försterin? Wer hängt die Försterin?

Warum hängt die Försterin? Wo bleibt der Försterfilm?

 

 

 

Kleiber    

Köln  1994

 Textauszug:

Der Geheimfriseur sitzt im Anbau am Fenster. Das Fenster bleibt geschlossen. Vor dem Anbau breitet sich ein Parkplatz mit einer Bogenlampe aus. Im Schein der Bogenlampe geht Marion auf und ab. Sie trägt ein schlecht sitzendes, perlenbesticktes Konfirmationskleid.

 

 

 

Ölkäfer     

Galerie Claudia Böer, Hannover  1995

Textauszug:

Ölkäfer ist hyperplumb. Ölkäfer kann fünf Worte stammeln: gracile, Genua, avvelenamento, Klafott und Posierfleisch. Ölkäfer ist bleich. Ölkäfer hat zehntausend Eier. Ölkäfer ist mit einem Pelzröckchen bepflastert. Ölkäfer ernährt sich von seiner buddhistischen Kindheit. Ölkäfer ist der Blasenzieher. Er zieht falsche Blasen und tritt als Herrenbusen auf. Als Herrenbusenß Als Herrenbusen erster Klasse. Trotz einiger Tatsachen bei der Premiere im Mai [er spritzte sofort].

 

 

 

Die Stirne 

Zeichnungen und Materialien von Dieter Krüll zu Gedichten von Rose Ausländer, Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf  1995

 

 

 

Rotkäppchen  

Museum Burg Wissem, Troisdorf 1996, anlässlich der Ausstellung Dieter Krüll – Illustrationen zu den Märchen der Gebrüder Grimm

 

 

 

Brom    

Städtische Galerie Erlangen  1997

Textauszug:

Sauxa, ein glatter, schlanker Halbstarker, betrat gegen Mitternacht mit seinem Lüster die hohe Halle einer ehemaligen Bahnhofsgaststätte. Er hatte fettige Handflächen, mit denen er nichts halten konnte, und er verströmte einen fauligen Duft, aber der Lüster!

 

 

 

Das schreiende Fell   

Museum für Versicherungsgeschichte, Gotha  1998

 Textauszug:

Insgesamt hatten sich die Bewohner eines einzigen Zimmers alle selbst oder gegenseitig umgebracht, und alle waren seltene Pachydermen. Wieviele es waren, konnte Pamela noch nicht sagen, sie steckte mitten in ihren Ermittlungen, als der hübsche Formalhaut vorbeifuhr und ihr mit seinem schreienden Fell zuwinkte. Pamela wirkte abgewrackt, eine verlebte Kriminalistin, die kopfüber in einem Blutgemisch steckte und mit ihrem Degen in den zerstückelten Nashörnern, Elephanten und Flusspferden stocherte, als Formalhaut auftauchte und tat, was er am besten konnte: er warf sein schreiendes Fell über sie.

 

 

 

Perlboot     

Künstlerhaus Saarbrücken  1998

 Textauszug:

Mit einem klagenden Pfeifen sank der Nordkaper an der Kraterwand zusammen, sein winziges Auge drehte sich nach innen, und wenn er eingeschlafen war, konnte Perlboot auf ihm spazieren gehen und versuchen, die schauerlich schöne Geheimschrift seiner verrunzelten Speckhaut zu entziffern.

 

 

 

Gonf     

Galerie Der Spiegel, Köln 1999

 Textauszug:

Gonf notiert: Tabakläden, Cafés, und Metzgereien am frühen Abend aufsuchen, eine Liste anlegen über Beleuchtung, Personal, Service, Transzendenz.

Gonf notiert: Der Kaktusmensch ist aus seiner Haut geschlüpft, aus der Haft in seiner Haut entflohen, Hauthaft, er war in seiner eigenen Haut inhaftiert, die Haftbedingungen in der eigenen Haut.

Gonf in Begleitung von OP-Schwester Eleonora, seine Ermittlungen [unermeßlich] verlieren sich im Weltall [in der Luftleere].

 

 

 

Perlboot     

Ludwigsburg  2001, illustrierte Ausgabe

 

 

 

Troisdorfer Reportagen    

Troisdorf 2005

 Textauszug:

Heidi geht durch die abendliche Fußgängerzone. Die Geschäfte schließen. Die Lichter werden ausgeschaltet. Mit schweren Taschen sind viele Passanten auf dem Heimweg. Nur die Metzgerei ZUSATZSTOFF ist noch hell erleuchtet. Heidi tritt ein. Die Metzgerei ist voller Bartfrauen. In der Menge der unrasierten, schlechtrasierten, kunstvoll ausrasierten und vollbärtigen Frauen wirkt Heidi sehr weiblich. Einige Frauen haben ihre Bärte mit Federn und bunten Bändern geschmückt und hochgesteckt.

 

 

 

Sabine  

Meerbusch 2009

 Textauszug:

Allmählich finde ich Gefallen an der nächtlichen Excursion mit der Señora, immer in der Hoffnung, nicht zu verzottelt auszusehen, und als sie mich auf dem verspiegelten Tank einer Kawasaki drapiert, finde ich meine Rolle als alienhafte femme fatal, als totenhäutiger, verschnitterner Freak in den nächtlichen Gassen von Madrid wie den Beginn einer nicht zu unterschätzenden Karriere.

 

 

 

Zeichenfilme

 

1990

Sieben Gleisgesichter

Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

 

 

1991

Das Motorengeräusch,

Puder,

Reisemaske,

Schmidt,

Artothek Köln