Hallenbadcafé

Stück für drei Zößchen

 

Darsteller:

Billa, Zilla und Tilla, drei Zößchen.

Billa trägt eine weinrote Strickjacke, Zilla eine dunkelblaue und Tilla eine weiße. Alle drei: schwarze Röcke, schwarze Strümpfe, schwarze Schuhe, Handtaschen beige, schwarz und oliv. Frisuren: sportlich elegant, caramelblond bis marmorgrau.

Ein Schwimmer: Mann mit Badehose, Flossen und Taucherbrille.

 

Bühne:

Ein Schild mit der Aufschrift Hallenbadcafé. Eine Preistafel. Ein Tisch, vier Stühle, fleischfarbene Tischdecke, Aschenbecher. Kaffeetassen. Tür, Fenster. Aus dem Hintergrund Schwimmbadgeräusche.

 

Billa, Zilla und Tilla trinken Kaffee. Auf dem Boden macht der Schwimmer Schwimmbewegungen, kriecht langsam vorwärts. Er ist immer zu sehen, aber die Zößchen beachten ihn nicht.

 

Tilla: „Gestern war ich wieder beim Horst, acht Zimmer hat der für sich alleine und läuft immer im Bademantel rum, bei dem trau‘ ich mich, da geh‘ ich gerne hin, zu dem Horst.“

Billa: „Kannst du auch. Der tut dir nichts. Der Horst ist ein guter Mensch.“

Billa nickt.

Zilla: „ Aber nicht der Werner!“

Billa: „Bloß der nicht! Der ist immer so nackt, die Wohnung ist auch viel zu eng, da kommst du gar nicht an dem vorbei und der macht dich dann voll, der Werner, große Sauerei, klar, wenn kein Platz da ist, dann ist immer alles sofort voll, und du bist von oben bis unten versaut, vom Werner, der hat auch kein Geld, diese Sau!“

Billa verzieht ihr Gesicht und zieht ihre weinrote Strickjacke aus, hängt sie über den Stuhl.

Billa: „Ich weiß noch was von dem Werner ...“

Tilla: „Diese Sau!“

Billa: „... früher war der immer krank, der geht elendig kaputt, sagte der Arzt, da war ich bei dem im Krankenzimmer, die Schwester hielt dem Werner den Arm fest, und ich mußte seine Brille halten, die Schwester fütterte den Werner, da hab‘ ich mir seine Brille aufgesetzt, und die Schwester wurde frech, sonst machte die ja immer alles mit, die Schwester, die war gar nicht übel, aber jetzt wurde die frech, weil der Werner noch nicht fertiggegessen hatte, und ich hatte seine Brille auf und machte Faxen und konnte doch gar nichts damit sehen, weil die so stark vergrößert, alles erschien mir verschwommen und dunstig, aber auch so riesig, das Saugesicht vom Werner hing über mir wie ein Kronleuchter, mir wurde schlecht, da riss ich mir die Brille vom Kopf und warf sie dem Werner in den Kartoffelbrei, da ist der Werner der Schwester runtergerutscht vor Schreck, auf den Boden, da lag der Werner, die Schwester wurde immer frecher und wollte mir eine langen, der Werner spuckte und wälzte sich in seiner Spucke, ich bin auf den Flur rausgerannt und hörte noch, wie die Schwester den Werner wieder hinsetzte wie eine Puppe, abwischte und weiterfütterte.“

Tilla: „Was alles passiert!“

Billa: „Dann ging ich wieder rein, er hat es hinter sich, sagte die Schwester, die war nicht mehr frech, das hatte mich getröstet, die hatte auch die Brille abgeputzt und dem Werner wieder aufgesetzt, und dann ging es aufwärts mit dem, der aß jeden Tag mehr.“

Tilla: „Und dann ist der diese Sau geworden!“

Billa: „War der immer schon.“

Tilla: „Aber der Horst, der hat den Bademantel an, der zieht den nicht aus, der hat Manieren, dem vertrau‘ ich, und der macht das Fenster auf, auch wenn es kalt wird, der hat immer frische Luft, und dann kommt die Petra dazu, die bleibt, auch wenn ich schon da bin, bleibt die trotzdem, die Petra!“

Billa: „Eben!“

Tilla: „Das ist so schön beim Horst im Bademantel, und mit der Petra, so ordentlich und die große Wohnung und immer das Fenster offen.“

Billa, Zilla und Tilla zusammen:

„Eben.“

Zilla: „Gestern war ich beim Herrn Pilts, bei dem ist es nicht so schön wie beim Horst, der ist gemein, der Herr Pilts, und der ist immer unrasiert und so blau im Gesicht, dann denke ich, der erstickt jetzt, kaum bin ich bei dem, hat der schon den ersten Erstickungsanfall, soll er haben, dafür bin ich ja da, aber so schnell wie das mit dem geht, die Tür ist noch nicht zu, da ist der schon blau und keucht, aber was soll ich machen, ich kann ja nicht immer nur zum Horst gehen, und dann ist da auch noch der Jakob, wart ihr schon mal bei dem? Der soll ganz schlimm sein, der Jakob, viel schlimmer als alle anderen, der schlimmste.“

Billa drohend: „Der Jakob?“

Sie schüttelt sich, kreischt auf und zieht ihre weinrote Strickjacke wieder an.

Tilla laut: „Der Jakob, der hockt im Wäscheschrank, da ist kein Platz, da sind nur alte Lappen drin, schmieriges Zeug ...“

Tilla steht auf.

Tilla weiter: „...alles voll damit, der ganze Schrank, ich geh‘ da auch nicht hin, keiner geht da hin, da kriegst du nichts, keine Mark, wenn du da rein kommst, der zieht dir die Haut ab, da kommst du nicht mehr raus, wenn du einmal drin bist, beim Jakob im Wäscheschrank, da gehst du kaputt!“

Billa steht auf und geht an den vorderen Bühnenrand.

Tilla sehr laut:

„Der Jakob ist eine Stahlwanze, weißt du was das heißt, Stahlwanze?“

Zilla ist erschrocken, duckt sich.

Billa stellt sich an den vordersten Bühnenrand und schreit:

„Schwanze!“

Dann wieder Tilla:

„Stahlwanze!“

Tilla und Billa abwechselnd laut ins Publikum [ gebrülltes Wortballett aus Stahlwanze und Schwanze:

„Stahlwanze!“

„Schwanze!“

„Stahlwanze!“

„Schwanze!“

[ ... ]

Der Taucher zuckt zusammen, als würde auf ihn geschossen. Zilla sitzt am Tisch und schlägt sich die Hände über dem Kopf zusammen. Dann schreit sie voller Panik:

„Nein, nein! Aufhören damit!“

Billa und Tilla sind augenblicklich still. Setzen sich wieder an den Tisch. Trösten Zilla. Der Schwimmer liegt auf dem Rücken. Bis zum Ende des Stücks wird er so liegen bleiben und mit den Flossen zittern.

Tilla erschöpft: „Bleib du besser beim Horst im Bademantel mit Petra, da bist du sicher!“

 

Die drei Zößchen stehen auf. Sie umarmen sich. Sie schluchzen. Zilla seufzt: „Es ist alles so schwer!“

Dann seufzen alle drei. Sie zupfen sich gegenseitig an ihren Strickjacken und singen zusammen leise:

„Der Jakob, der Jakob,

Jakob, Kopp ab,

ja Kopp ab, Jakob,

runter mit dem Kopp,

mit dem Kopp,

mit dem Kopp,

mit dem Jakobkopp,

Kopp, Kopp, Kopp, Kopp, Kopp, Kopp, Kopp ...“

Immer leiser:

„... Kopp, Kopp, Kopp, Kopp, Kopp, Kopp, Kopp, Kopp ... Tschüss Jakobkopp!“

 

Alle drei machen Gesten, als würden sie Jakobs Kopf ins Publikum schießen wie einen Fußball.

 

Sie setzen sich wieder, lachen erleichtert auf, trinken Kaffe. Sie zucken mit ihren Schultern, schauen stumm aus dem Fenster.

Der Schwimmer auf dem Boden zittert mit den Flossen.

Langes Bild.

Vorhang

1999 - 2009

 

 

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