Paull

 

Am Abend kam Paull an. Die Stadt roch nach Haarspray und Salz. Auf den Straßen lagen rostige Pfützen. Paull ging in ein Hotel, stellte sich vor die Portiersloge und machte einen Knicks. Seine weiße, muschelförmige Handtasche ließ er vor seiner Hüfte schaukeln.

"Soll ich mich eintragen?" fragte er den Portier.

"Was?"

"Meinen Namen, meinen vollen Namen", sagte Paull.

"Wo?" Der Portier starrte ihn an.

"In die Meldeliste, ich muß doch meinen vollen Namen in die Meldeliste eintragen," sagte Paull schnell und machte wieder einen Knicks.

"Siehst du Meldelisten?"

De Portier machte eine vage Geste.

"Und die anderen, die vor mir da waren, sie alle ..." Paull wollte Namen nennen, aber der Portier fiel ihm ins Wort, "Es gibt keine anderen!"

Draußen flogen Ballen aus toupierten Haaren vorbei, einige blieben an den Fassaden hängen, lösten sich wieder und flogen kreiselnd weiter. Der Portier gestikulierte mit seinen teigigen Händen. Die Loge war sehr verschmutzt. Paull fragte nach dem Schlüssel und wollte auf sein Zimmer gehen. Der Portier beugte sich vor, "Es gibt keinen Schlüssel!" Er grinste. "Keine Meldelisten, keine anderen, keinen Schlüssel! Du brauchst auch nichts zu bezahlen, du bist die letzte, das ganze Haus ist leer, du kannst jedes Zimmer nehmen, wie du willst, das hier ist für dich!"

Der Portier warf Paull eine Gummischnur zu. Paull machte einen Knicks, wickelte die Gummischnur um sein Handgelenk und ging nach oben. Er schlenkerte seine muschelförmige Handtasche und machte sehr kleine Schritte. Die Treppe war breit. Der Teppich schluckte alle Geräusche. Lautlos stieg er in den dritten Stock, drückte eine Tür auf und trat ein. Das Zimmer  hatte ein Bett, eine Spiegelkommode mit Schemel, Waschbecken, Bidet und ein Fenster mit ausgeleierten Vorhängen. Die Tür ließ sich nicht schließen, nur anlehnen. Paull schob das Bett vor die Tür und setzte sich darauf. Er rollte die Gummischnur um sein Handgelenk öffnete seine Handtasche und wühlte in seinen Make up-Utensilien. Er inhalierte den süßlichen Duft seiner Lippenstifte und Puderdosen. Plötzlich sprang er auf und schob die Vorhänge zur Seite. Er stellte sich vor die Spiegelkommode. Draußen war ein dunstiges Licht. Er drehte den Spiegel so, daß er gleichzeitig sich und ein großes Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehen konnte. Es hatte ein Tor und breite, niedrige Fenster. Vor dem Gebäude stand ein Sattelschlepper. Männer lehnten an den Reifen. Einer saß im offenen Fahrerhaus und ließ seine Beine herunterbaumeln. Die Männer hantierten mit schweren Gegenständen. Sie lachten, manchmal verschwand einer von ihnen in dem Gebäude und kehrte nach kurzer Zeit wieder zurück. Paull öffnete das Fenster. Er hörte ein anhaltendes, gleichmäßiges Wasserrauschen und dazu die Stimmen der Männer. Er holte seine Handtasche vom Bett und setzte sich vor den Spiegel. Er winkte den Männern mit seiner Handtasche zu. Er wollte sich ihnen bemerkbar machen. Da sie aber keinerlei Notiz von ihm nahmen, stellte er sich vor den Spiegel, befestigte die Handtasche an der Gummischnur und ließ sie aus dem Fenster fallen. Paulls Handtasche hing an der Hotelfassade. Auch das beachteten die Männer nicht. Sie lachten laut, aber nicht über Paulls Eleganz. Er zog die Handtasche wieder hoch und schaute hinein. Lange saß er vor dem Spiegel. Draußen wurde es dunkel. Er legte sich aufs Bett, umwickelte sich mit der Gummischnur, schob seine Hände in die Handtasche und schlief ein.

Mitten in der Nacht wachte Paull auf. Durch den Türspalt fiel trübes Licht. Er lag auf dem Bett und wartete auf ein Geräusch. Er schaute auf den Boden. Dort hockten kleine Tiere in knorpeligen Mänteln. Sie bewegten sich nur langsam.

"Sie sind so leicht zu zertreten," dachte Paull.

Er schlief wieder ein. Bis zum Morgen lag er in einem unruhigen Halbschlaf. Plötzlich war er wach. Die kleinen Tiere standen dicht zusammen unter dem Bett und träufelten. Es waren Ascidien. Paull nahm seine Handtasche, setzte sich vor den Spiegel und klappte ihn auf, daß er sich in drei verschiedenen Positionen betrachten konnte. Er glättete sein weich fallendes, magentafarbenes Kleid und polsterte sein perlenverziertes Bustier aus.

Er puderte seine Schrunden, machte seinen Schlitz rot und versuchte, seinen bohrenden Punktaugen einen schimmernden Glanz zu verleihen. Paull wollte ausgehen. Unten stand ein anderer Lastwagen als gestern, aber es waren keine Männer da. Aus den tanzenden Rändern einer einzigen, wabernden Wolke regnete feines, zerstäubtes Haarspray auf die Stadt herunter.

Paull schob das Bett zur Seite, nahm seine Handtasche und ging auf den Flur. Vor dem Wandspiegel prüfte er seine Gestalt. Sein Bustier wippte und klimperte. Sein Schlitz leuchtete rot. Seine Punktaugen steckten in kleinen Kratern aus schimmerndem Lidschatten. Luftig umschmeichelte ihn sein magentafarbenes Kleid.

 

Im Treppenhaus war es still. Die Portiersloge war leer. Auf dem Tresen lag ein Brief mit seinem vollen Namen. Er hatte damit gerechnet, ein Brief von Taunten, aber nicht so schnell. Er steckte ihn in seine Handtasche. Die Portiersloge roch nach billigem Parfüm.

"Auch ich bin billig!" jauchzte er, "Ich bin ein billiges Krötenstielchen, so billig mit meiner schrundigen Hülle und meinem knallroten Schlitz, das bin ich: ein knallrot geschlitztes, schrundiges, billiges Krötenstielchen!"

Paull trat aus dem Hotel und machte sofort einen Knicks. Schwaden von zerstäubtem Haarspray wehten durch die Straßen. Er ließ seine Hüften in alle Richtungen kreiseln. Sein Bustier funkelte. Wie es beim Tippeln und Knicksen hüpfte, wie die Glitzerperlen klingelten, weil es so ausgepolstert war! Das magentafarbene, fließende Kleid verhüllte kaum seine schrundigen Wülste.

Unten hatte das Kleid ein Loch, aus dem Paulls fleischige Schere heraushing. Sie schwoll an, wurde dunkelrot, schnappte in die Luft, zog sich ins Innere des Kleides zurück, kam wieder heraus, um erneut zuzuschnappen. Oft deutete Paull auf seine Handtasche, wenn er einen Knicks machte. Er leckte an der süßen Haarsprayluft. Nie verschwand das eingekratzte Lächeln auf seinem schrundigen Kopf. Seine Hände hielt er mal zierlich nach oben, nach unten, zur Seite, oder plötzlich breitete er sie aus und seine Handtasche flog mit. Das Glück, das er dabei empfand, pumpte immer wieder neue Wülste und Blasen auf seinen Leib.

"Heute kann ich bummeln", sagte Paull, "so kurz vor meinem Ziel".

 

 

Aus einem Schuppen kamen Männer in Arbeitskleidung. Er versuchte, sein eingekratztes Lächeln zu kräuseln. Er tupfte seinen schrundigen Kopf, strich mit seinen Händen darüber, als würde er eine wallende Mähne zurückstreichen oder nach vorne auf sein Bustier schleudern. Er machte einladende Gesten. Warf seine Handtasche von einer Hand in die andere. Er wollte den Männern gefallen. "Da bin ich! Ein elegantes, billiges Krötenstielchen!" wollte er ihnen zurufen, aber er spuckte nur Blasen aus seinem roten Schlitz. Die Männer blieben stehen.

"Was ist das denn für einer?"

"He, Gummipuppe!"

Wie höflich Paull begrüßt wurde. Sofort machte er einen tiefen Knicks, der sein magentafarbenes Kleid aufblähte. Einzelne Blasen lösten sich von seinem roten Schlitz,  segelten davon oder rutschten in seinen Ausschnitt.

"Her damit!", grölten die Männer, schlugen ihre Fäuste aufeinander und kamen näher. Paull versuchte, so verlockend wie möglich zu lächeln. Hätte er doch die Männer mit schwarzen, flatternden Wimpern betören können! Aber seine Punktaugen waren winzig und bohrend, und das Weltall rotierte darin schmerzhaft und hochtourig kreiselnd. Paull schaffte nicht das allerleichteste Kräuseln seiner wehen, schrundigen Kopfhülle. Er raffte sein magentafarbenes Kleid. Seine Schere war jetzt ganz ausgestreckt und loderte dunkel. Sie zuckte, schnappte, bellte die Männer an. Einer schrie, "Her mit dem Brief!"

Paull erschrak. Tauntens Brief! Ein Zipfel von ihm schaute aus seiner Handtasche heraus, er hatte ihn noch nicht gelesen. Der Mann sprang auf ihn zu, zog den Brief heraus, zerknüllte ihn zu einem Ball, warf ihn den anderen Männern zu, die abwechselnd auf ihm herumkauten, und einer steckte ihn sich hinten in die Hose und stopfte ihn dann in Paulls Schlitz. "Jetzt knebeln sie mich", dachte er, aber er hatte keine Angst. Die Kreiselbewegungen des Weltalls vervielfachten sich. Der verklumpte Brief steckte wie ein Pfropfen in seinem Schlitz.

Plötzlich ließen die Männer von ihm ab. Paull blickte sich um. Er spuckte den Brief aus. Ihm war nicht schlecht, aber er atmete schwer. Was hatte in dem Brief gestanden? Ob Taunten ihm einen neuen schreiben wird? Wird sich jetzt alles verzögern? Er machte sich wieder zurecht. Schob seine Schere unter das Kleid. Sein Bustier wippte auf und ab.

 

Paull knickste weiter durch die Straßen und Hafenanlagen. Die meisten Leute beachteten ihn nicht. Auch wenn er seine Knickse machte, gingen sie weiter, und selten bekam er ein Kompliment. Unter dem dünnen Stoff seines magentafarbenen Kleides strömte sein schrundiger Leib in nie nachlassendem Schmerz und weher Müdigkeit.

In einem Café fand Paull einen Fensterplatz. Teilnahmslos starrte er auf die Straße. Ob man ihn durch die Scheibe sehen konnte? Sie war sehr staubig. Aufrecht saß er am Tisch. Er knickste im Sitzen. Machte seinen Schlitz rot. Puderte nach. Seine Schere hatte er ausgeklappt, er fächelte in seiner Handtasche. Der Kontakt mit seinen Make-Up-Utensilien gab ihm Sicherheit. Er richtete seine Punktaugen auf die verschwommene, langsam vor ihm kreiselnde Straßenszenerie. Einmal sah er einen Jungen, der seine Mütze verkehrt herum auf dem Kopf trug. Auf der Straße war ein nachmittägliches Publikum. Der Junge balancierte seine umgedrehte Mütze.

Am Nebentisch saß ein älterer Mann mit einem schlafenden Mädchen und schaute Paull an.

"Pansenpuppe!"

Paull erhob sich leicht und machte einen Knicks. Der Mann wirkte nicht unfreundlich. Er schob ihm einen Zettel mit einer Adresse zu.

"Da gehörst du hin".

Er grinste. Das Mädchen richtete sich auf, blinzelte und fiel wieder zusammen.

"Ich danke ihnen, daß sie gekommen sind. Sie sind es doch?" fragte Paull den Mann, ihm gelangen sogar ein paar verständliche Worte. Denn eine plötzliche Gewißheit überkam ihn, daß dieser Mann Taunten wäre.

"Hau ab, Puppenschwarte!"

Der Mann sprang auf. Er hätte Paull fast vom Stuhl gerissen, gerade als dieser ihn höflich fragen wollte "Herr Taunten?"

Aber der Mann schob Paull, wiederum nicht unfreundlich, zum Ausgang, unter dem Gelächter des  Mädchens, das jetzt ganz wach war, aber immer noch auf dem Tisch lag. Der Mann nannte es Pullsacke, Paull hörte, als er das Café verließ, wie er noch sagte, "Schlecht wird das mit dem enden, Pullsacke, schlecht, sag' ich dir!"

 

 

Der Junge mit der umgedrehten Mütze war verschwunden. Paull ging zu der angegebenen Adresse, ein Gittertor, dahinter ein Kontakthof. Weit geöffnete Fenster. Anschwellender Lärm. Paull trat ein. Plötzlich wurde er von einer Meute hunderter Krötenstielchen umringt, alle so wie er, in magentafarbenen Kleidern, mit schnappenden Scheren, muschelförmigen Handtaschen, knallroten Schlitzen, bohrenden, hilflos überschminkten Punktaugen und tupfenden Händen! Knicksende, tippelnde, handtaschenschwingende, blasenspuckende, schrundige  Krötenstielchen, genau wie Paull!

Aus jedem Fenster ragte ein schokoladenbrauner Perückenständer, der jeweils eine blau-schwarze, anmutig fließende Perücke trug. Blitzschnell schlugen die Perückenständer mit ihren fliegenden Perücken wie eine weiche Peitsche auf die Meute der Krötenstielchen ein, die sich über den Kontakthof wälzte, von einem niedersausenden Perückenständer zum nächsten.

"Meine billige Meute! Da ist sie! Ich bin nicht allein! Auch ich bin so!" Begeistert stürzte sich Paull in den tosenden Strom der jubilierenden Krötenstielchen.

"Nimm mich mit!" tschilpten sie alle durcheinander, und auch Paull tschilpte sofort "Nimm mich mit!", und ein Perückenständer mit einer herrlichen, blau-schwarz glänzenden Langhaarperücke schlug heftig auf ihn ein und wischte ihn, "Nimm mich mit, aber wisch mich vorher, nimm mich gewischt mit!" tschilpte er und hielt den Perückenständern auch seine Hüfte hin, sein perlenbestücktes Bustier und seine muschelförmige Handtasche, er ließ seinen ganzen schrundigen Leib immer wieder hinreißend wischen, und seine entzündete Schere klaffte feuerrot auseinander, aber niemals hätte Paull ein anderes Krötenstielchen berührt oder hätte ihn ein anderes Krötenstielchen berühren wollen.

Lange blieb Paull im Kontakthof. Er tschilpte, spuckte Blasen und ließ sich immer wieder hinreißend wischen, bis sein magentafarbenes Kleid von den Striemen der blauschwarzen Langhaarperücken fadenscheinig wurde. Manchmal schwappte die Meute der Krötenstielchen ermattet gegen das Gittertor und zurück in den Kontakthof, und das jubilierende Tschilpen erlosch kurzzeitig in einem klagenden Zirpen. Aber die Perückenständer wischten weiterhin mit unverminderter Wucht, und der Jubel der Krötenstielchen schwoll bald wieder zu einem ohrenbetäubenden Lärm an, und hundertfach jauchzten sie auf, "Nimm' mich mit, nimm mich gewischt mit!" Als Paull erneut gegen das Gittertor gespült wurde, verließ er den Kontakthof. Er war glücklich. Hier war sein zuhause. Er wollte jeden Tag wiederkommen. Er ging zurück in die Stadt und tschilpte noch lange erleichtert, "Nimm' mich mit, nimm' mich gewischt mit!"

 

Paull trieb weiter durch die Gassen, Hinterhöfe und Fischfabriken. Über weite Plätze. In den öffentlichen Toiletten konnte er sich zurechtmachen.  Wenn er an die Docks kam, sah er das dunkle Meer.  Der Horizont war verstellt durch hohe Hallen, Werftkräne und dümpelnde Wracks, ein Karusell kreiselnder Hafenanlagen.

Jeden Morgen kehrte Paull ins Hotel zurück.

"Gibt es Nachrichten?"

"Was?" Der Portier quetschte sich an die Wand.

"Einen Brief ...," sagte er vorsichtig, "gibt es keinen Brief für mich?"

Bei jedem Wort spuckte Paull Blasen, sein rot verschmierter Schlitz schäumte auf. Langsam kreiste die Loge tief im Innern seiner Punktaugen.

"Nachrichten, Briefe, Meldelisten, Schlüssel ..." lallte der Portier mit einer Geste des Abscheus.

Paull ging auf sein Zimmer und setzte sich vor den Spiegel. Nach den langen Nächten war alles an ihm transparent und gleichzeitig verlumpt, sein Bustier eingefallen, sein Gltzerschmuck erloschen, sein Schlitz geschwollen und verschmiert, seine überreizten Punktaugen schwammen in Schlieren von abgeplatztem Lidschatten. Sein Kleid hing strähnig an ihm herunter, seine Schere war blaß und verkocht im Morgengrauen. Paull war eine verschollene Maschinerie aus Schrunden und Kosmetik. Aber er tschilpte, knickste, spuckte Blasen und sog die haarspraysüße Luft ein. Er puderte seine transparenten Schrunden im fahlen Morgenlicht. Machte seinen Schlitz rot. Pumpte sein Bustier auf. Er spielte mit der Gummischnur. Luftige Ballen toupierter Haare segelten über die Straße. Das Tageslicht vergrößerte sich. Unten stand ein Tankwagen. Wieder waren Männer da. Hatten Werkzeuge in den Händen. Schlugen mit den Werkzeugen gegen die Reifen. Kletterten ins Fahrerhaus, gingen in das große Gebäude gegenüber und kamen wieder heraus. Paull knüpfte seine Handtasche an die Gummischnur, band das andere Ende am Fenster fest und warf sie hinunter. Die Handtasche baumelte einen halben Meter über dem Boden, von den Männern unbemerkt. Er stieg aufs Fensterbrett, griff nach der Gummischnur und rutschte an ihr herunter. Unten löste er die Handtasche, die Gummischnur baumelte in der Luft. Paull ging zu den Männern, machte einen Knicks und sagte "Guten Morgen." Dann fragte er sie, ob sie viel fischen. Er wollte ein einfaches Gespräch anfangen. Sein Bustier klirrte. "Schönes Fräulein, hier entlang," sagte einer der Männer. Auch die anderen schauten nicht unfreundlich. Paull war überrascht über ihr Verständnis.

 

Die Männer deuteten auf den Eingang des Gebäudes. Paull ging hinein. Drinnen war ein dichter Fischgeruch. Aus einem verschlungenen Röhrensytem strömte Meereswasser in große Becken, die sich in schnurgeraden Bahnen hintereinander aufreihten. Das Wasserrauschen übertönte die Stimmen der Männer. Paull ging tiefer in das Gebäude hinein. In den Becken drehten sich dichte Klumpen ineinanderverkrallter Hummer, Krabben und Seespinnen. Paull genoß das harte Prasseln der Wasserstrahlen auf den sich gegenseitig strangulierenden Krustentieren. Krachend schlugen die Klumpen aufeinander. Einzelne abgebissene, halbverdaute Gliedmaßen schwammen im Wasser wie Zweige. In einigen Becken waren die Klumpen so groß wie Fischerboote und drehten sich in einem flockigen Schaum.

 

Paull verließ das Gebäude durch eine Seitentür. Er blinzelte angestrengt in der Morgensonne. Plötzlich waren wieder die Männer da, mittelgroße, kräftige Männer in Arbeitskleidung, und sie fragten Paull, "Hast du alles?"

Er war glücklich. Durch die Luft flogen luftige Ballen toupierter Haare. Der intensive, süße Duft nach Haarspray vermischte sich mit dem Fischgeruch. Die Männer traten zurück und fixierten ihn.

"Fang an!"

Paull hockte sich hin. Leicht und lautlos löste sich sein linker Arm aus seiner Schulter und segelte  durch die Luft. Er stupste an die toupierten Haarballen und tanzte mit ihnen ein verspieltes Luftballett.

Paull preßte seinen Leib in höchster Konzentration zusammen, je mehr er preßte, desto höher segelte sein Arm. Still schauten ihm die Männer zu. Paulls Leib war zum Zerreißen gespannt, aber sein amputierter Arm tanzte in unendlicher Grazie durch die Luft.

Paull entspannte sich. Sein Arm senkte sich herunter. Die Männer wurden lauter, gingen zum Tankwagen, einer von ihnen rief ihm zu, "Schluß jetzt!"

Paull holte seinen Arm aus der Luft zurück und paßte ihn wieder in seinem Schultergelenk ein. Er nahm seine Handtasche und machte einen erschöpften Knicks. Die Männer applaudierten nicht. Er tippelte zurück zur Gummischnur, band seine Handtasche fest, kletterte hinauf, zog die Gummischnur hoch, löste seine Handtasche, legte die Gummischnur hinein und setzte sich vor die dreiteilige Spiegelkommode. Der Boden unter dem Bett war trocken und verkrustet. Die  Ascidien waren verschwunden.

 

.

 

"Du kannst nicht länger bleiben."

Der Portier sah Paull an.

"Ist es soweit?" fragte er, "und der Brief?"

"Es gibt keinen Brief."

"Aber ... Taunten?"

"Du bist dran."

Müde lehnte Paull an der Portiersloge. Er wollte nach oben.

"Du bleibst hier."

Der Portier warf ihm eine schwarze Pelzweste mit drei lachsroten, geschlossenen Nylonstulpen zu.

"Zieh' das über!"

Paull steckte seinen schrundigen Kopf und seine Hände in die Nylonstulpen und schlüpfte hinein. Drinnen war es warm und eng.

"Mein schönes Bustier", dachte er. Es klirrte kaum noch. Wurde es jetzt unter der Pelzweste zerdrückt?

"Du bist die letzte, nach dir kommt keine mehr, wir schließen jetzt", hörte er den Portier von ferne.

"Ich bin noch nicht fertig", sagte Paull dumpf. Durch die Nylonstulpen sah er das Weltall über sich wie einen ins lichte Lachsrot getauchten Kreisel.

"Du bist fertig!" sagte der Portier. Paull drehte sich zur Treppe und hörte, wie oben etwas einstürzte.

"Da ist nichts mehr für dich." Der Portier  machte einen Satz über den Tresen und landete neben ihm.

"Komm jetzt!"

Er gab ihm einen Stüber. Fast wirkte er etwas hilfsbereit. Paull wußte, daß die Pelzweste mit den lachsroten Nylonstulpen sein allerletztes Kleidungsstück war. Sein Kopf und seine Hände sahen unter dem engmaschigen, lachsroten  Nylongewebe der Stulpen gehäutet aus. Der Portier ging voraus. Er war sehr flach. Er rutschte über den Boden wie ein Rochen. Paull tippelte hinterher, konnte aber kaum noch seine zierlichen Knickse machen. Er hatte sein Gleichgewicht verloren wegen der Nylonstulpen und machte unkontrollierte, lose Bewegungen. Kichernd schielte der Portier unter Paulls magentafarbenem Kleid.

"Weiter kann ich nicht mit dir gehen". sagte er plötzlich.

"Jetzt schon?" dachte Paull erschrocken.

"Da ist es."

Der Portier deutete in eine unbestimmte Richtung und war plötzlich verschwunden.

"Es geht alles so schnell," dachte Paull. Den Kontakthof hatte er nicht wiedergefunden.

Über der Stadt hing die pulsierende Haarspraywolke. Sie dehnte sich aus, zog sich wieder zusammen. Die Pelzweste glänzte. An den Spitzen der Pelzhäarchen funkelten winzige Tröpfchen. Paulls magentafarbenes Kleid war verschlammt. Seine Schere hing kalt und klein im Innernen des Saumes. Vor ihm lag ein Platz mit verrosteten Maschinen und einem Schuppen. Der Platz endete an einer Mole. Paull hörte das Meer leise. Er wußte nicht mehr, wo das Hotel lag. Er deutete mit seinen maskierten Schrunden in die verschiedensten Richtungen. Hinter ihm breitete sich die ganze stille Stadt in der Nacht aus. Er raffte sein Kleid, und versuchte zum Schuppen hinüberzutippeln, erreichte ihn aber nur noch mit schweren, müden Schritten, als trüge er Eisenschuhe. Der Schuppen hatte keine Tür, keine Fenster, sondern nur ein scharfkantiges Loch in der Mauer. Paull kletterte hinein. Zerriß sein Kleid an den Steinen. Wollte die lachsroten Nylonstulpen ausziehen. Aber sie saßen fest. Sofort sehnte er sich nach seinem Hotelzimmer mit der Spiegelkommode, den Ascidien und den Männern mit dem Sattelschlepper. Im Schuppen gab es keinen Spiegel. Nur einen Schrank, einen Stuhl und einen Tisch. Auf dem Tisch lag ein Feuerzeug. Der Boden war aus gestampfter Erde.

 

Paull setzte sich an den Tisch und schüttete seine Handtasche aus. Die Make-up-Utensilien und die Gummischnur verbeugten sich und ordneten sich zu einem kleinen Theater auf der Tischplatte. Aus dem Schrank kamen winselnde Stimmen und klatschende Peitschenschläge. Der ganze Schrank vibrierte. Paull nahm das Feuerzeug und zündete sein Kleid an. Es brannte nicht, wegen der Feuchtigkeit. Aber es qualmte. Paull steckte seinen Kopf in die Handtasche. Im Schrank tobte es. Das Kleid schwelte. In der Handtasche war es hell. Paull schob seinen Kopf tief ins lachsrote Nylonlicht. War es noch dieselbe Nacht, war es schon die nächste, oder übernächste, war es inzwischen Tag gewesen, wieviel Zeit war vergangen, seitdem er das Hotel verlassen hatte? Die Stimmen und Peitschenschläge im Schrank verstummten. Paull zog seinen Kopf aus der Handtasche heraus. Das Kleid war erloschen und rieselte an seinem nackten, schrundigen Leib herunter. Seine verkümmerte Schere lag leblos auf dem gestampften Boden. Das Loch in der Mauer war jetzt mit einem grün schimmernden, pochenden Pudding verstopft, dessen Laschen ins Innere des Schuppens tasteten. Der Pudding war mit klimpernden Perlenketten verschnürt. Tief schnitten die Perlenketten ins weiche, wabernde Puddingfleisch. Alles erschien Paull in einem lachsroten, übersteuerten Kreisel aus toupierten Haaren, pulsierender Haarspraywolke, stranguliertem Pudding und rotierenden Make-up-Utensilien. Tschilpen wollte Paull heftig, war das Taunten, der das Loch in der Mauer verstopfte, der Tauntenpudding? Paull machte einen Knicks im Sitzen, und noch einen, er machte mehrere schnelle, mechanische Knickse hintereinander als würde er auftitschen, die Make-up-Utensilien  kreisten umeinander, der Pudding blähte sich, die Perlenketten rissen auseinander, die Perlen spritzten durch den Schuppen, der Kreisel des Weltalls beschleunigte seine schlingernden, ausufernden Umdrehungen, wie oft schon hatte Paull das alles bedacht, und so wußte er genau, was jetzt zu tun sei, als er aus weiter Ferne die Stimme vernahm, "Bist du fertig, Paull Asscomb?"

 

 

Portland [GB] -  Köln  -  Düsseldorf, 1995 - 2011

 

 

Nachtrag

p-words to use for an english translation:

 

pumpy pale - pumpiger Pfahl

 

pussy pucker - Mieze Mund verziehen

 

puppy pus - Welpe Eiter

 

puffy pansy - angeschwollenes Stiefmütterchen

 

pulpy pug - breiiger Mops

 

puddle puke - Pfütze Kotze

 

panting pumpkin - keuchender Kürbis

 

paltry puff paste - schäbiger Blätterteig

 

palsy pucker - Lähmung, Gesicht verziehen

 

puffy pan - angeschwollener Topf

 

puffy pumpkin - angeschwollener Kürbis

 

puffy pulp - angeschwollener Brei

 

pulpy puppy fat - breiiger Babyspeck

 

puffy panty hose - angeschwollene Strumpfhose

 

pulpy pant - breiiger Slip

 

puffy pussy - angeschwollene Mieze

 

puddle pants - Pfütze Slip

 

puffy puke - angeschwollene Kotze

 

puffy pug - angeschwollener Mops

 

puny puddle fat - schwächlicher Pfützenspeck

 

pulpy puff paste - breiiger Blätterteig

 

pulpy pussy pale - breiiger Miezenpfahl

 

pulpy puppy puke - breiig Welpe Kotze

 

puddle pulpy pud - Pfütze aus breiigem Mops

 

panty hose pud - Strumpfhosenmops

 

pumpy pale

pussy pucker

puppy pus

puffy pansy

pulpy pug

puddle puke

panting pumpkin

paltry puff paste

palsy pucker

puffy pan

puffy pumpkin

puffy pulp

pulpy puppy fat

puffy panty hose

pulpy pants

puffy pussy

puddle pants

puffy puddle puke     puffy puddle pug    puny puddle fat    pulpy puff paste    pulpy pussy pale    pulpy puppy puke    puddle pulpy pud    panty hose pud

.